- Die zunehmende Nutzung dollargebundener Stablecoins erhöhe international die Nachfrage nach US-Treasuries und anderen liquiden USD-Assets – ein Faktor, der den Neutralzins (r*) strukturell senken könne.
- Stablecoins könnten sich zu einem „Multi-Billionen-Dollar-Faktor“ für Zentralbanken entwickeln; zentrale Fragen zu Regulierung, Reservequalität, Run-Risiken und Geldmarkt-Interaktion bleiben laut Miran offen.
Der von der damaligen US-Regierung nominierte Fed-Stratege Nikolaos Miran hat auf dem BCVC-Gipfel in New York darauf hingewiesen, dass Stablecoins – digitale Token, die 1:1 an den US-Dollar gekoppelt sind – bereits spürbar als Reserve- und Abwicklungsmedium genutzt werden.
Seine These: Da Emittenten ihre Besicherungsreserven überwiegend in kurzlaufende US-Staatsanleihen, Treasury-Repos und andere hochliquide USD-Assets lenken, steigt die strukturelle Nachfrage nach „Safe Assets“.
Dieser Effekt könne, so Miran, „Abwärtsdruck auf den Neutralzins“ (r*) ausüben – also auf das reale Gleichgewichtszinsniveau, bei dem die Wirtschaft weder überhitzt noch abkühlt.
Im Kern geht es um die Transmission zwischen Krypto-Ökosystem und Dollar-Funding-Märkten. Wachsen Stablecoin-Bestände weiter, vergrößert sich das Reservenvolumen, das in T-Bills und Overnight-Repos geparkt wird.
Für den Treasury-Markt kann dies eine zusätzliche, nicht-zyklische Nachfragekomponente bedeuten – mit Auswirkungen auf Renditen, Liquidität und Term-Premien. Gleichzeitig sind Spillovers denkbar: Ein größerer, durch Stablecoin-Reserven getriebener Repo-Nachfrageblock könnte die Geldmarktzinsen (inkl. ON RRP und IORB-Spreads) beeinflussen und so in die Monetary-Policy-Transmission zurückwirken.
Politik- und Aufsichtsfragen: Reservequalität, Runs und Interoperabilität
Miran skizzierte ein Spannungsfeld: Stablecoins könnten die „Finanz-Plumbing“ effizienter machen – etwa bei grenzüberschreitenden Zahlungen, Treasury-Workflows und intraday-Liquidity-Management.
Zugleich steigen die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Reservetransparenz (z. B. regelmäßige Atteste, Stresstests), Einlösemechanismen (zeitnahe 1:1-Redemptions), Kundenschutz (Segregation, Insolvenzferne) und Compliance (KYC/AML, Sanktionskontrollen).
Ohne robuste Policy-Rahmen drohe das System Ansteckungs- und Run-Risiken, etwa bei plötzlichen Abflüssen aus Stablecoins in Stressphasen, die Geldmärkte und Reservepools in Mitleidenschaft ziehen könnten.
Für Zentralbanken stellen sich mehrere strategische Fragen. Erstens: Interaktion mit dem ON-RRP-Fazilitätensystem und der Bilanznormalisierung (QT) – wenn Stablecoins als quasi-staatliche Geldmarktvehikel skaliert werden, könnte dies Reservenverteilung, Bankfunding und Zinssteuerung beeinflussen.
Zweitens: der Zuschnitt regulatorischer Zuständigkeiten, insbesondere bei Emittenten-Aufsicht, Reserve-Qualitätsanforderungen (z. B. T-Bills vs. Einlagen bei Geschäftsbanken) und Aufsichtsarbitrage zwischen Bank- und Nichtbank-Sektoren.
Drittens: die Koexistenz mit CBDC-Initiativen und tokenisierten Einlagen – während Stablecoins privat begeben sind, könnten tokenisierte Bankeinlagen oder ein digitaler Dollar ähnliche Zahlungsvorteile mit direkter Zentralbank-Anbindung bieten.
Für Marktteilnehmer bleibt das Beobachten sekundärer Indikatoren zentral: Stablecoin-Bestandswachstum, Zusammensetzung und Duration der Reserven, Repo-Spreads, T-Bill-Nachfrage der Geldmarktfonds und Nutzung von Zentralbank- Fazilitäten.
Ebenso wichtig sind Interoperabilität und Resilienz – etwa verifizierbare Oracles für Reserve- und NAV-Signale, Standardisierung der Datenpfade (z. B. ISO-20022-konforme Meldungen) sowie Fallback-Prozesse bei Marktstress.
Miran betont, dass Stablecoins sich zu einem „multi-trillion-dollar“-Phänomen entwickeln könnten. Ob dieser Pfad tatsächlich den Neutralzins dämpft, hängt von Adoptionsgrad, Regulierungsarchitektur und der Reaktion des öffentlichen Sektors ab.
Entscheidend wird sein, ob Nachfrage nach sicheren USD-Assets dauerhaft über Stablecoin-Reserven kanalisiert wird – und wie sich das Gleichgewicht zwischen Bankeinlagen, Treasury-Papieren, RRP-Inanspruchnahme und Digital-Dollar-Initiativen einpendelt.





