• Der GENIUS Act schafft einen Rahmen für Stablecoin-Emittenten, könnte aber Spielräume für regulatorische Arbitrage und Bitcoin-Exposure in Reserven eröffnen.
  • Die Aufsicht müsse Details nachschärfen, etwa zu Look-Through-Pflichten, Liquiditätsstandards, Stresstests, Offenlegung und Kontrahentenrisiken.

Die Federal Reserve blickt mit gemischten Gefühlen auf die neue US-Gesetzgebung für Stablecoins. Notenbankgouverneur Michael S. Barr lobte in einer Grundsatzrede die gesetzliche Klarstellung für Emittenten und deren Einbindung in das Aufsichtsgefüge.

Gleichzeitig mahnte er, dass die konkrete Umsetzung über Erfolg oder Misserfolg entscheide. Ohne eng definierte Regeln könnten Schlupflöcher entstehen, über die Bitcoin-bezogene Instrumente in Stablecoin-Reserven gelangen, während die direkte Supervisory-Sicht der Federal Reserve nur mittelbar greife.

Reservelücken und Aufsichtsgrenzen im Gesetzestext

Kern der Sorge ist die Zusammensetzung der Stabilitätsreserven. Der GENIUS Act verweist auf hochwertige, liquide Anlagen und erlaubt Interpretationsspielräume, wie weit zulässige Reservebausteine reichen.

Fehlen Look-Through-Pflichten, könnten Emittenten Anteile an börsengehandelten Produkten oder Derivaten mit Bitcoin-Bezug halten, die formal als zulässige Finanzinstrumente gelten, faktisch aber Kryptorisiken importieren.

Eine solche indirekte Exponierung erschwert die Risikomessung entlang der Kette aus Verwahrern, Brokern und Sicherheitenpools.

Hinzu kommt eine potenzielle Zersplitterung der Zuständigkeiten. Je nach Lizenzierung und Konzernstruktur könnten Emittenten unterschiedliche Aufsichtsschienen nutzen. Das erhöht die Gefahr regulatorischer Arbitrage zwischen staatlicher und bundesweiter Aufsicht.

Für die Federal Reserve entsteht dabei ein Sichtbarkeitsproblem, wenn wesentliche Risikoentscheidungen außerhalb ihres unmittelbaren Mandats fallen und nur über Berichtspflichten erreicht werden.

Liquidität bleibt der zweite kritische Punkt. Stablecoins versprechen tägliche Einlösung zum Nennwert. Halten Emittenten Reserven mit Krypto-Korrelation oder mit eingeschränkter Markt­tiefe in Stressphasen, steigt das Risiko von Fire-Sales und Spread-Ausweitungen.

Barrs Hinweis, dass Innovation im Zahlungsverkehr zwar erwünscht sei, die Umsetzung aber Detailarbeit verlange, zielt auf genau diese Transformationsrisiken zwischen Rechtsrahmen und Marktmechanik.

Umsetzungsschritte: Von Stresstests bis Look-Through

Damit der GENIUS Act das intendierte Sicherheitsnetz liefert, zeichnet sich ein Katalog operativer Maßnahmen ab. Erstens sollten Look-Through-Anforderungen die wirtschaftliche Substanz von Reserven erfassen.

Enthalten Fonds oder Swaps mittelbar Bitcoin-Risiken, müssten sie wie direkte Krypto-Bestände behandelt werden. Zweitens braucht es harte Liquiditätsparameter, etwa Laufzeitenbänder, Konzentrationslimits und Haircuts, die Einlösungen in Stressphasen absichern.

Drittens sind regelmäßige Stresstests mit veröffentlichten Methodiken erforderlich, einschließlich Szenarien für Korrelationen zwischen Krypto- und TradFi-Märkten.

Viertens gewinnen Offenlegungen an Gewicht. Emittenten sollten granulare Reserveberichte mit T-Plus-Verzug, Audit-Vermerken, Verwahrstellen-Auflistung und klaren Bewertungsregeln liefern.

Fünftens sind Kontrahenten- und Verwahrungsstandards zu präzisieren. Segregierte Konten, Mehrparteien-Freigaben, Versicherungsrahmen und Exit-Prozeduren bei Ausfällen minimieren operationelle Bruchstellen.

Sechstens bedarf es klarer Regeln für Notfallpläne, etwa temporäre Einlösefenster, Governance-Schwellen für Maßnahmen sowie Koordination mit Zahlungs- und Abwicklungsinfrastrukturen.

Schließlich bleibt die Frage der Datenanbindung. Eine Echtzeit- oder Near-Real-Time-Meldelogik zu Einlösungen, großen Reserveverschiebungen und Abweichungen vom Peg würde der Aufsicht ermöglichen, Risiken früh zu erkennen.

In Kombination mit standardisierten Indikatoren – etwa Liquiditätsdeckungsquote, Einlösequote und Spread-Metriken – ließe sich die Stabilität von Stablecoins objektiver einordnen.

Barrs Quintessenz ist nüchtern: Der GENIUS Act beschleunigt Innovation, doch die Stabilität hängt an der Präzision der Durchführungsbestimmungen. Erst wenn die Aufsicht Look-Through, Liquidität, Offenlegung und Stresstests belastbar definiert, lässt sich ausschließen, dass Bitcoin-verbundene Instrumente unbemerkt in Reservepools gelangen und die Versprechen stabiler Einlösung unter Stress aushöhlen.