• Der US-„Wealth Channel“ mit rund 300.000 Finanzberatern und 30 Bio. US-Dollar Kundenvermögen beginnt Krypto strategisch zu berücksichtigen.
  • Eine rechnerische 2-%-Allokation in Bitcoin-ETFs ergäbe potenziell etwa 600 Mrd. US-Dollar an Zuflüssen und markierte eine Verschiebung hin zu beratergeführten Portfolios.

Die Diskussion um institutionelle Nachfrage erhält eine neue Facette: der US-Vermögensberatungssektor. Rund 300.000 Finanzberater verwalten Schätzungen zufolge circa 30 Billionen US-Dollar an Kundengeldern. Setzten diese Häuser im Rahmen standardisierter Modelle eine durchschnittliche 2-prozentige Allokation in Bitcoin-ETFs durch, ergäbe sich rein arithmetisch ein potenzieller Zufluss von etwa 600 Milliarden US-Dollar in Krypto-Vehikel. Befürworter sehen darin den Übergang von überwiegend retailgetriebenen Wellen zu beratergeführter Portfolio­konstruktion, sobald Genehmigungen, Verwahrung und Compliance-Leitplanken in den großen Banken und Broker-Dealer-Netzwerken zusammenlaufen.

Der Rechenweg hinter den 600 Milliarden

Die 600-Milliarden-Zahl ist ein Szenario, kein Versprechen. Sie ergibt sich aus 2 % von rund 30 Billionen US-Dollar Assets under Advice im US-Beraterkanal. In Relation gesetzt: Das globale Gold-ETF-Vermögen liegt im niedrigen 400-Milliarden-Bereich; die US-Spot-Bitcoin-ETF-Mittelzuflüsse bewegen sich derzeit weit darunter. Entscheidend ist nicht die reine Arithmetik, sondern die Übersetzung in operative Wirklichkeit: Produktzulassungen auf Plattformen der großen Wirehouses, Einbindung in Modellportfolios, Schulung der Berater, Suitability-Prozesse und Haftungsrahmen.

Auf Produktebene dürften vor allem börsengehandelte, regulierte Vehikel profitieren, die Verwahr- und Berichtspflichten adressieren. Creation/Redemption-Mechanismen, Preisindizes mit Ausreißerfiltern, robuste Market-Maker-Sets und klare Regeln zu Cash- versus In-Kind-Prozessen werden darüber entscheiden, ob breite Zuflüsse mit engen Spreads und geringer Tracking-Differenz verarbeitet werden können. Für die Mikrostruktur der Märkte ist die Sequenz relevant: Modellportfolios werden in Tranchen angepasst, Rebalancing-Fenster gestaffelt und ETF-Handelsfenster (Cut-offs) mit der Liquiditätslage an Kassabörsen verzahnt.

Hürden im Vertriebsapparat der Wall Street

Historisch haben Plattformfreigaben, Produktregeln und interne Compliance den Zugang zu neuen Anlageklassen stark gebündelt. Für Krypto gilt dies in besonderem Maße. Bevor Berater Kundenallokationen empfehlen, brauchen sie klare Leitplanken: Risikoprofile, Zielquoten, Rebalancing-Regeln und Eskalationspfade bei Volatilitäts- und Liquiditätsereignissen. Hinzu kommen steuerliche Fragen, Reporting-Standards und die Integration in bestehende UMA/SMAs oder Ziel­datums-Fonds. Erst wenn diese Teilsysteme greifen, kann aus einer theoretischen 2-%-Quote ein praktisches Modell werden.

Auch das Timing spricht für eine schrittweise Adoption. Viele Häuser testen zunächst Mindestquoten im Basisszenario, um Daten zu Korrelation, Drawdowns und Cash-Management zu sammeln. Risikoseitig bleiben drei Punkte zentral. Erstens Volatilität: Derivate-Hebel (Funding-Sätze, Perps-Basis, Open Interest) müssen gegen Spot-Zuflüsse abgeglichen werden, um elastische Rückschläge zu vermeiden. Zweitens Liquidität: Orderbuchtiefe und Indexpflege sind Voraussetzung für großvolumige Blöcke ohne übermäßige Slippage. Drittens Gegenparteien und Verwahrung: Segregierte Wallets, Mehrparteien-Freigaben und Versicherungsrahmen sind Mindeststandard für Mandate mit Haftungsanforderungen.

Für Anbieter zeichnet sich parallel ein Wettbewerb um Gebühren und Servicequalität ab. Große Distributionsplattformen verlangen transparente Kosten, stabile Intraday-NAV-Indikationen und belastbare Primärmarkt-Prozesse mit mehreren autorisierten Teilnehmern. Ein weiterer Hebel ist die Datenqualität: Einheitliche, revisionssichere Feeds für Performance-Attribution, Risiko-Kennzahlen und ESG-Berichte erleichtern die Aufnahme in Modellportfolios. Auf Sicht mehrerer Quartale könnte so aus dem „Wealth Channel“ ein planbarer, wiederkehrender Fluss werden – selbst wenn die Endquote je nach Haus zunächst deutlich unter 2 % liegt.

Für professionelle Anleger lautet das operative Fazit: Beobachten, wann Plattformfreigaben erfolgen, welche Produkte den „Approved List“-Status erhalten, und wie Rebalancing-Kalender gestaltet sind. Parallel liefern Indikatoren wie ETF-Nettozuflüsse, Geld/Brief-Spannen großer Handelspaare sowie die Entwicklung der Perps-Basis Hinweise, ob die erwartete beratergeführte Nachfrage tatsächlich in die Orderbücher kommt – und in welchem Tempo.