• Das Fehlen klarer Regeln für die Veräußerung von Kryptowährungen in China führt zu Rechtsunsicherheit und potenziellen Korruptionsrisiken.
  • Gerichte und Behördenvertreter fordern angesichts zunehmender Kriminalität im Kryptobereich eine zentralisierte Aufsicht über beschlagnahmte digitale Vermögenswerte.
  • Darüber hinaus plant China 15.000 Bitcoin über Off-Shore-Exchanges zu veräußern.

Der wachsende Bestand an beschlagnahmten Kryptowährungen in China setzt Gerichte, lokale Behörden und Finanzinstitutionen zunehmend unter Druck, bestehende Regulierungslücken zu schließen. Angesichts des offiziellen Verbots von Kryptowährungen wie Bitcoin oder XRP agieren die Behörden bei der Liquidierung beschlagnahmter Vermögenswerte in einer rechtlichen Grauzone.

Dieses Regulierungsvakuum führt zu uneinheitlichen Vorgehensweisen im Umgang mit eingezogenen Kryptowerten und birgt Risiken hinsichtlich Misswirtschaft und Korruption. Mit steigender Zahl von Strafverfahren im Zusammenhang mit digitalen Währungen werden Forderungen nach einheitlichen Regeln und zentralisierter Aufsicht lauter.

Gerichte und Behördenvertreter fordern klare Regeln

Rechtsexperten konstatieren, das Fehlen nationaler Richtlinien habe zu intransparenten und inkonsistenten Ansätzen bei der Verwertung beschlagnahmter Kryptowährungen geführt. Laut Anwälten und Richtern, die an kürzlich stattgefundenen Seminaren teilnahmen, liefen derzeit Diskussionen zur Ausarbeitung klarerer Regeln. Diese sollen digitale Vermögenswerte gerichtlich anerkennen und deren Verwaltung nach einer Beschlagnahme regeln.

Chen Shi, Professor für Rechtswissenschaften an der Zhongnan University of Economics and Law, erklärte, die gängige Praxis, bei der private Firmen beschlagnahmte Token gegen Fiatgeld veräußern, stehe nicht gänzlich im Einklang mit Chinas Krypto-Verbot.

Chen warnte, das Fehlen eines formalisierten Verfahrens könne Missbrauch Vorschub leisten. Guo Zhihao, ein in Shenzhen ansässiger Anwalt, der ebenfalls an dem Seminar im Januar teilnahm, verwies auf den Konflikt zwischen Chinas Krypto-Handelsverbot und der Notwendigkeit, beschlagnahmte Token zur Deckung öffentlicher Ausgaben zu monetarisieren.

Seiner Ansicht nach solle die Zentralbank (People’s Bank of China) diese digitalen Vermögenswerte verwalten – entweder durch Verkauf ins Ausland oder durch Aufbau einer Reserve, ähnlich der von US-Präsident Donald Trump vorgeschlagenen US-Bitcoin-Reserve. Die Debatten erfolgen vor dem Hintergrund eines zehnfachen Anstiegs der Gelder im Zusammenhang mit Krypto-Kriminalität, die laut dem Blockchain-Sicherheitsunternehmen SAFEIS im Jahr 2023 ein Volumen von 430,7 Mrd. Yuan (59 Mrd. US-Dollar) erreichten.

Im vergangenen Jahr verfolgte China über 3.000 Personen wegen Geldwäsche unter Verwendung von Kryptowährungen strafrechtlich. Parallel zu diesem Anstieg digitaler Kriminalität erreichten auch die Einnahmen lokaler Behörden aus Strafen und Beschlagnahmungen mit 378 Mrd. Yuan einen Rekordwert – ein Zuwachs von 65 % über fünf Jahre.

Private Unternehmen füllen regulatorische Lücke

Lokale Behörden beauftragen derzeit private Firmen mit der Konvertierung beschlagnahmter Kryptowährungen in Yuan. Von Reuters eingesehene Dokumente belegen, dass Jiafenxiang, ein Technologieunternehmen mit Sitz in Shenzhen, seit 2018 über Offshore-Märkte Kryptowerte im Wert von mehr als 3 Mrd. Yuan veräußert hat.

Von diesen Transaktionen profitieren Stadtverwaltungen wie jene in Xuzhou und Taizhou, obgleich eine formale Aufsicht über derartige Vereinbarungen fehlt. Die Erlöse werden nach der Konvertierung in Yuan über inländische Banken auf Konten lokaler Finanzbehörden eingezahlt.

Der Anwalt Liu Honglin, der Kommunalverwaltungen berät, konstatierte, diese Praxis habe zwar finanziell an Bedeutung gewonnen, es mangle jedoch an Schutzmechanismen. Sun Jun, Anwalt bei Shanghai Landing Law Offices, forderte eine zentrale Instanz zur Überwachung der Kryptowert-Verkäufe und zur Überprüfung der involvierten Drittfirmen. Bit Jungle, ein Blockchain-Dienstleister, unterstrich die Notwendigkeit lizenzierter Offshore-Verkäufe sowie die Einhaltung von Kapitalverkehrskontrollen.

Winston Ma, Rechtsprofessor an der NYU, schlug vor, China solle die Verwaltung dieser Vermögenswerte mittels eines Staatsfonds für Kryptowerte (Sovereign Crypto Fund) in Hongkong zentralisieren und dabei die krypto-affine Politik der Sonderverwaltungszone nutzen. Ru Haiyang, Co-CEO von HashKey, regte indes an, Peking solle die Einlagerung beschlagnahmter digitaler Token als strategische Reserve erwägen – analog zum Ansatz der Trump-Administration.

Wie wir bereits berichteten, gilt China laut der Bitcoin-Investmentfirma River mit einem geschätzten Bestand von 15.000 Bitcoin im Wert von 1,4 Mrd. US-Dollar als der weltweit vierzehntgrößte Halter von Bitcoin. Laut Insiderberichten plant China derzeit diesen Bestand in den nächsten Monaten zu veräußern.